Pater Ingbert Naab - Was würde er uns heute sagen?
 
Zur Eröffnung der Ausstellung
"Wider den Zeitgeist"
 

Seine Lebensdaten lasse ich jetzt alle beiseite, über sie wird die Ausstellung Auskunft geben. Ich greife lediglich zwei Punkte auf, die mich zum Weiterdenken angeregt haben, als ich mich in den letzten Tagen mit Pater Ingbert Naab beschäftigt habe. 

Das eine ist ein Satz, den er 1913 zur damaligen Situation der Jugend geschrieben hat, und Pater Ingbert galt ja zu Recht als begnadeter Jugendseelsorger. Er schrieb damals: "An unserer Jugend verzweifeln und sie als unverbesserlich gelten zu lassen, das heißt einen Frevel an der Gnade Christ begehen." Aus diesem Satz spricht kein oberflächlicher Optimismus, sondern die theologisch begründete, pastorale Überzeugung, dass die Gnade Christi weiterreicht als die Reichweite der sichtbaren institutionellen Kirche und ihre Akten und Riten. Denn, mit dem Johannesevangelium gesprochen: "Der Geist weht, wo er will" (vgl. Joh 3,8). Pater Ingbert Naab glaubte an die Verlässlichkeit Gottes im Leben der Menschen, und das er nicht nur auf die Jugendlichen. Daran sollten wir heute dringend anknüpfen. Wir sollten Gottes Spuren im Leben der Menschen suchen, in ihrem Lebensgelingen wie Lebensscheitern, und diese Spuren im Licht der Botschaft Jesu neu deuten lernen.

Und das zweite, was mir an Pater Ingbert Naab aufgefallen ist: Er war ein Meister der Früherkennung. Er erkannte früh und entschiedener als viele andere, in welch unheilvolle Richtung sich Deutschland und die Menschen in Deutschland im Nationalsozialismus entwickeln würden. Er hatte ein sensibles Gespür für das Kommende. Dass er zu den sehr frühen Warnern vor Hitler und dem Nationalsozialismus zählte, mag im übrigen einer der Gründe dafür sein, warum er über anderen späteren Gestalten des politischen Widerstands wie Dietrich Bonhoeffer, Alfred Delp oder Clemens August von Galen geradezu in Vergessenheit geraten konnte.

Ich frage mich: Welche Phänomene würde der Früherkenner Pater Ingbert Naab heute an unserer Gesellschaft wahrnehmen? Wenn er als wacher Zeitgenosse das Zweite Vatikanische Konzil im Rücken hätte? Ich glaube, er würde an unserer Gesellschaft nicht die vielbeklagte Säkularisierung und den vermeintlichen Glaubensverfall als Hauptmerkmale identifizieren, sondern das Phänomen des religiösen Pluralismus. Er würde diesen Pluralismus nicht als gefährliche Ideologie bekämpfen, sondern sich von ihm zum Dialog herausfordern lassen. Nicht nur die nebeneinander lebenden christlichen Konfessionen, die römisch-katholische, die lutherische, reformatorische und calvinistische Kirche und andere, auch die unter uns lebenden Muslime, das wiederauflebende Judentum, auch Elemente des fernöstlichen Hinduismus und Buddhismus - was will uns Gott mit diesem religiösen Pluralismus in unserer Gesellschaft sagen? Ob nicht das die Frage wäre, die Pater Ingbert Naab heute als "Seher" und "Prophet" aufnehmen würde? Sie fordert uns heraus zu einem Dialog auf der Basis der Überzeugung, dass wir als Christinnen und Christen zwar die  ersten Trägerinnen und Träger der Botschaft Jesu und seines Reiches  sind, dass aber, wie Johannes Paul II in seiner Enzyklika "Redemptoris missio" sagte, "die Wirklichkeit des Reiches (Gottes) sich in Ansätzen auch jenseits der Grenzen der Kirche in der gesamten Menschheit finden kann" (Nr.20). Wir bewegen uns wohl auf den Spuren des Paters Ingbert Naab, wenn wir diese heutige Herausforderung so entschieden annehmen, wie er die Herausforderungen seiner Zeit angenommen hat.

 

Prof. Dr. Stefan Knobloch
Mainz

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