Der „Konnersreuther Kreis“
   
Dr. Fritz Gerlich
Therese Neumann
 
In Konnersreuth fand sich um die stigmatisierte Therese Neumann ein Freundeskreis, der schon bald bei seinen Gegnern als „Konnersreuther Kreis“ bekannt wurde. Hier trafen sich die Lebenswege Pater Ingbert Naabs, des Journalisten Fritz Michael Gerlich, des alttestamentlichen Philologen Franz Xaver Wutz, des "bayerischen Edelmannes" Erwein von Aretin, der christlichen Konvertitin Edith Stein und vieler anderer.
 
Die Bauernmagd Therese Neumann, genannt „Resl von Konnersreuth“ wurde 1898 in Konnersreuth geboren, wo sie 1962 starb. Weltweit bekannt wurde sie durch Stigmata, die sich ab 1926 bei ihr zeigten. Angeblich hat sie seit dieser Zeit für den Rest ihres Lebens, außer der Kommunion, weder gegessen noch getrunken und sie soll bei ihren Visionen in der Lage gewesen sein, aramäisch zu sprechen.
Die "Wunder" waren bei vielen Christen schon zu Lebzeiten der Therese Neumann sehr umstritten. Der Priester Dr. Josef Hanauer verfasste mehrere Bücher zum Thema, die sich gegen die "Phänomene von Konnersreuth" wenden. Er deckt darin zahlreiche Widersprüche, Ungereimtheiten und ungewöhnliche Tatsachen im Leben der Therese Neumann auf.
Laut dem international angesehene Kriminalbiologe Mark Benecke hat die DNS-Arbeitsgruppe des Münchner Instituts für Rechtsmedizin mittlerweile nachgewiesen, dass das Blut aus den Verbänden der Therese Neumann von ihr selbst und nicht etwa von Tieren stammt. ("Süddeutschen Zeitung" vom 10. Februar 2004)
Natürlich bleibt auch weiterhin nicht auszuschließen, dass sich die "Resl" ihre Wunden selbst zugefügt hat. Die katholische Kirche warnte bereits 1927 vor Wallfahrten nach Konnersreuth und erkannte weder die Stigmatisierungen noch die Nahrungslosigkeit offiziell an. Davon ungeachtet hatte die "Resl" bereits zu ihren Lebzeiten ihren festen Platz in der Volksfrömmigkeit. Ein Gesuch um ihre Seligsprechung wurde von über 40.000 Gläubigen unterstützt. Nachdem er das erforderliche „Nihil obstat“ von der römischen Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen erlangt hatte, eröffnete daraufhin der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller im Jahr 2005 den Seligsprechungsprozess für Therese Neumann, 
 
Pater Ingbert Naab stand den Geschehnissen in Konnersreuth, die Ende der Zwanziger Jahre die Weltpresse beschäftigten, äußerst skeptisch gegenüber. Doch sein Freund, Professor Dr. Franz Xaver Wutz, der an der Philologisch -Theologischen Hochschule Eichstätt den Lehrstuhl für das Alte Testament inne hatte, war nach einem Besuch Bei Therese Neumann von den menschlich nicht erklärbaren Vorgängen derart beeindruckt, dass er von da an immer wieder den Kontakt zu den einfachen Menschen in Konnersreuth suchte.
Zwischen ihm, dem Konnersreuther Pfarrer Joseph Naber und der Familie Neumann entwickelte sich eine tiefe, aufrichtige Verbundenheit. Ottilie, die Schwester der Therese, wurde Haushälterin im Hause des Professors, der den beiden jüngeren Brüdern der Schwestern während ihrer Gymnasialzeit auch Kost und Logis gewährte. So kam auch Therese Neumann des öfteren nach Eichstätt.
 
Zu dieser Zeit ging der Chefredakteur der Neusten Münchner Nachrichten, Dr. Fritz Gerlich, im Hause Neumann bereits ein und aus. Gerlich, in streng kalvinistischem Geist erzogen, war 1883 in Stettin geboren, stand politisch den Nationalliberalen sehr nahe und übernahm nach dem Studium ein Amt im bayrischen Staatsarchiv.
1920 bat man ihn, die Hauptschriftleitung der Neusten Münchner Nachrichten zu übernehmen, was Gerlich Gelegenheit bot, die Politik des Generalstaatskommissariats Gustav von Kahr kompromisslos zu unterstützten. Die Rede, die Kahr am 8. November 1923 im Bürgerbraukeller halten wollte und die durch Hitlers Schuss in die Decke unterbrochen wurde, war in der Redaktion der Neusten Münchner Nachrichten entstanden.
 
Dieses, nicht nur in Bayern sehr renommierte Blatt wollte die Hintergründe in Konnersreuth aufhellen und Gerlich schickte den Mitarbeiter Erwein Freiherr von Aretin nach Konnersreuth, der sich dort im Juli 1927 von Professor Wutz einführen ließ. Seinen Bericht veröffentlichte Aretin am 3. August 1927 in der Beilage der Münchner Neusten Nachrichten „Die Einkehr“. Aretins Schilderungen stießen bei Gerlich auf Skepsis. Er glaubte, die Geschehnisse mit Hysterie, Suggestion und Autosuggestion erklären zu können und wollte darum selbst dem „Schwindel von Konnersreuth“ auf die Spur kommen. Am 15. September 1927 erreichte Gerlich mit Professor Wutz, den er als feinen, freidenkenden und gescheiten Mann bezeichnete,  Konnersreuth. Das, was er dort erlebte warf den Pragmatiker aus der Bahn. Von da an war er geradezu davon besessen, die Glaubwürdigkeit der These Neumann zu beweisen. Er stellte sie auf die Probe und in der Überzeugung, dass die Frage nach den aramäischen Ausdrücken am eindeutigsten zu klären sei, bat Gerlich Professor Johannes Bauer, der in Halle semitische Philologie lehrte, entsprechende Untersuchungen in Konnersreuth vorzunehmen. Ein protestantischer Sprachforscher schien ihm als Gewährsmann geradezu geschaffen zu sein.
In seinen Schlussfolgerungen, die Professor Bauer am 14. Dezember 1927 in „Die Einkehr“ veröffentlichte, bestätigt er, dass Therese Neumann kam er zu dem Ergebnis: „Die Tatsache des Aramäischen – und auf die kommt es zunächst allein an – steht also fest.“
Erwein von Aretin schreibt in seiner Gerlich-Biografie: „Bauers beispielhafte Objektivität fällt umso schwerer in die Waagschale, als er zunächst mit Therese Neumann ein Erlebnis hatte, das ihn wahrscheinlich peinlich berührte: Die in Ekstase liegende überzeugte den Eintretenden dadurch, dass sie ihm sagte, dass er als katholischer Priester zum Protestantismus übergetreten sei, eine Tatsache, die sie auf natürlichem Wege ebenso wenig wissen konnte, wie Gerlich eine Ahnung davon hatte. Sonst hätte er Bauer solchem allzu persönlichem Empfang kaum ausgesetzt, sondern einen anderen Fachmann gebeten.“
 
Am 15. Februar 1928 kehrte Gerlich nach einem Krach mit der Verlagsleitung in den Bayrischen Archivdienst zurück. Gleichzeitig erforschte er weiterhin die Phänomene in Konnersreuth. 1929 veröffentlichte er in zwei Bänden seine Ergebnisse, zwei Jahre später folgte: „Der Kampf um die Glaubwürdigkeit der Therese Neumann“.
Pater Ingbert Naab lehnte die von Professor Wutz, der öfters in der Kapuzinerkirche zelebrierte, wiederholt ausgesprochenen Einladungen immer wieder ab. Erst im Juli 1928 fand er den Weg nach Konnersreuth, wo er Zeuge dieser außerordentlichen Vorgänge wurde. Die „ursprüngliche, natürliche, kindliche und demütige Art“ der Therese Neumann beeindruckten ihn tief. Nach seiner Rückkehr erzählte er: „Man kann jetzt ganz anders beten. Man lernt da viel mehr mit dem lieben Gott vereint zu sein.“ Er war sich sicher, dass er diese große Gnade mit neuem Leiden werde bezahlen müssen.
„Nach der ersten Betroffenheit hinterfragte er die Geschehnisse kritisch. Er wusste um die kirchliche Zurückhaltung gegenüber allen Privatoffenbarungen. Da er aber nun häufiger Augenzeuge war, wirkten seine Erlebnisse so überzeugend, dass alle Bedenken verblassten“, schreibt Professor Helmut Witetschek.
Den Konnersreuther Pfarrer Joseph Naber nahm Pater Ingbert  im Regensburger Ordinariat mehrmals vor Verdächtigungen in Schutz, zeigte Achtung vor den unerklärbaren Phänomenen und versuchte gemeinsam mit Gerlich in zahlreichen Aufsätzen die Hypothesen der Gegner zu zerpflücken. 

In seinem Ringen um die Wahrheit blieb Gerlich konsequent, er trat der katholischen Kirche bei, er und seine Frau, mit der er nur standesamtlich verheiratet war, ließen sich kirchlich trauen.  

In Konnersreuth lernte Gerlich den Fürsten Erich von Waldburg-Zeil kennen, der die äußeren Voraussetzungen für die publizistischen Aktivitäten Gerlichs und Naabs in den Jahren 1930 bis 1933 schaffen konnte.

Zum engeren „Konnersreuther Freundeskreis“ gehörten auch Pater Kosmas,  die Äbtissin von St. Walburg, Maria Benedikta von Spiegel, die Eichstätter Hochschulprofessoren Dr. Joseph Lechner und Dr. Franz Xaver Mayr, wie auch Gerlichs späterer Mitarbeiter Johannes Steiner, der später den Verlag „Schnell & Steiner“ mitbegründete. Steiners persönliches Anliegen blieb es Zeit seines Lebens, die Erinnerung an Gerlich und Naab lebendig zu halten und ihr Werk einem größeren Leserkreis zugänglich zu machen.  

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